Um einen recht einfachen Sachverhalt zu erklären, verwenden Ökonomen den komplizierten Begriff Attentismus. Damit ist gemeint, dass Privathaushalte und Unternehmen Entscheidungen über Einkäufe, Geldanlagen, Kreditaufnahmen oder Investitionen hinauszögern, weil sie auf künftig (noch) günstigere Bedingungen für diese wirtschaftlichen Aktivitäten hoffen. Die Bezeichnung bedeutet so viel wie aufpassendes, abwartendes Verhalten und stammt ursprünglich aus dem Lateinischen.
Verbraucher und Investoren zögern Entscheidungen hinaus
Verbraucher können z.B. dazu neigen, auf den Kauf von Konsumgütern vorerst zu verzichten, weil sie sinkende Preise erwarten. Für den einzelnen Kaufinteressenten ist dieses Abwarten durchaus begründet. Jedoch kann dadurch die Volkswirtschaft als Ganzes gelähmt werden und in einen endlosen Abschwung geraten. Dadurch, dass die Kunden Einkäufe zurückstellen und verstärkt sparen, wird durch die Unternehmen die Produktion zurückgefahren. Daraus folgt nun, dass die Unternehmen weniger Arbeitskräfte benötigen und es werden Stellen gestrichen. Die dadurch steigende Arbeitslosigkeit lässt die Konsumnachfrage weiter sinken und die Arbeitslosigkeit steigt nochmals. Japan hat eine solche Krise über viele Jahre schmerzhaft erlebt.
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Aktuelle Maßnahmen gegen den Attentismus
Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt alles daran, einem Verbraucher-Attentismus in Europa vorzubeugen. Durch die Leitzinssenkungen soll eine Deflation, also ein allgemein sinkendes Preisniveau verhindert werden. Sie strebt deshalb auch nicht etwa nach einer Konstanz der durchschnittlichen Verbraucherpreise, weil die Gefahr eines Umkippens in eine deflatorische Entwicklung zu groß wäre. Das Ziel der EZB ist, dass das allgemeine Preisniveau sich jährlich um knapp 2 Prozent erhöhen (Inflation) soll. Dadurch kann ein gewisser Puffer gegenüber Deflation und Attentismus geschaffen werden.
Auf dem Geld- und Kapitalmarkt gibt es ähnliche Tendenzen. Anleger können damit zögern, Ihre Ersparnisse langfristig anzulegen, weil sie auf steigende Zinsen für langlaufende Wertpapiere hoffen. Es wird dann dadurch für Unternehmen schwieriger, auf dem Kapitalmarkt Kredite für meist langfristige Investitionen aufzunehmen.
Wirtschaftspolitik kann auch Attentismus begünstigen
Umgekehrt können sich aber auch die Investoren attentistisch verhalten, etwa weil sie mit (weiter) sinkenden Kreditzinsen und dadurch mit entsprechend geringeren Investitionskosten in der Zukunft rechnen. Durch steigende Unsicherheit wächst dann die Gefahr einer wirtschaftlichen Lähmung. So kann ein rascher unkalkulierbarer Wandel der globalen Märkte den Attentismus begünstigen, weil er Akteure, die vor einer Entscheidung eine gewisse Klarheit über die ökonomischen Perspektiven benötigen, verunsichert und deshalb zaudern lässt. Aber auch die staatliche Wirtschaftspolitik trägt zu Unsicherheit und Attentismus bei, wenn sie geplante gesetzliche Änderungen zwar wieder diskutiert und damit Hoffnungen auf eine sinkende Steuerbelastung, wie seit Jahren etwa zur Abschaffung der kalten Progression bei der Einkommensteuer weckt, letztlich aber keine Beschlüsse fasst.